Dass die Teilnehmer nur ersteres
definitiv besitzen, die beiden letztgenannten Attribute jedoch nur eine
Mischung aus Zufall, Naivität und Mangel sind, spielt dabei eine
untergeordnete Rolle. Es sind auch nicht die Liebesuchenden, die diese drei Dinge
haben, sondern der geneigte Zuschauer. Wem pocht nicht das Herz bis zum
Hypothalamus, wenn offensichtlich geistig reichlich früh Abgebogene
selbstgezeichnete Barbie-Pornos mit dem Zusatz präsentieren, dass man ja mal
Bock drauf hätte, selber ordentlich durchgekachelt zu werden? Wessen
Humorzentrum wird nicht geradezu zerlegt, wenn ein schnappatmender Mann mit
Kniescheibe auf dem Kopf das Fellatio-Gedicht seiner Verehrerin als Grund für
seine Ablehnung der besagten Dame nimmt, da für den gläubigen, partnersuchenden
Herren Religion und Erotik im Zwist stehen? Und wer empfindet seinen eigenen IQ
nicht gleich um mindestens 40 Punkte höher, wenn eine Regalservicekraft unter
Einsatz ihres ganzen Könnens es schafft, einen nackten Tortenboden ohne
Verzierung zu servieren?
Wer Schwer verliebt als
menschenmissachtend und würdelos betrachtet, der vergisst, was das Volk will,
nein, wonach es in diesen Zeiten voll schwindender Hoffnung lechzt: Panem et
circenses. Sat.1 liefert uns das Brot, die Probanden dieses Experiments die
Spiele. Wir nähren uns an der Degeneration, verfolgen den Balztanz einer
Spezies, die viele kaum der ihrigen zurechnen würden. Vergessen die Zeiten, in
denen jedes Problem unüberwindbar erschien, ganz fern sind für einige Minuten
die Griechenländer, Braunhemdler und geldsaugenden Kapitalisten. Wir fühlen uns
gut, weil Sat.1 uns zeigt, dass andere noch viel minderbemittelter sind.
Die Opferung einiger Weniger zur
Steigerung des bundesdeutschen Selbstwertgefühls ist nur ein kleines Zugeständnis,
um uns alle vor der großen Depression zu schützen. Und wenn einige aus unserer
Mitte, egal wie schutzbedürftig sie auch sein mögen, dafür dem Spott und der
Erniedrigung ausgesetzt werden müssen, dann muss das eben so sein. Wir sind
schließlich eine Gemeinschaft, in der wir das Optimale für die Meisten
herausholen wollen.
Dass Sat.1 nicht das Patent auf
die volksbelustigende Liebessuche anmelden kann, ist ob der überspitzt
hinterfotzigen Präsentation von „Schwer verliebt“ kein Makel. Aber Danksagungen
an die Wegbereiter solcher Formate müssen trotzdem drin sein. Und da müssen wir
natürlich einen Sprung rüber zum Konkurrenzsender RTL machen, der das
Außenseiter-Baggern kultiviert hat. Bauer sucht Frau läuft seit nunmehr
irgendwas Jahren und Menschen aus der werberelevanten Gruppe kleben paralysiert
am Bildschirm, wenn Inka Bause in regelmäßigen Abständen auswendig gelernt
vorträgt, welche Landwirte aus welchem Kuhkaff diesmal eine Braut suchen. Auch
hier darf sich der Zuschauer an den skurrilen Zeitgenossen laben, die
alliterativ vorgestellt werden. Der bumsfidele Bauer Bernhard, der präpubertäre
Pferdewirt Peter, der einnässende Eselliebhaber Emil – sie alle haben ihren
Platz bei Bauer sucht Frau gefunden: den des Hinterwäldlers, der uns
fortschrittlichen Nicht-Landwirte prompt dazu animiert, den elektrischen Strom
zu nutzen oder gleich einen neuen PC zu kaufen, denn wir sind ja keine Bauern,
sondern gebildete Menschen, die sich von dem schmutzigen Gesocks aus dem TV
abgrenzen müssen.
Da doppelt bekanntlich besser
hält und die Sendezeit ja auch irgendwie gefüllt werden muss, hat RTL mit Schwiegertochter gesucht gleich noch ein, bis auf die Eingrenzung auf eine
bestimmte Berufssparte, deckungsgleiches Format entwickelt. Von
Handelsfachpackern, die statt sich kennen zu lernen gleich mit der
Kinderproduktion anfangen, bis hin zum friesischen Wünschelrutengänger, der
seine eigene Rute bisher nur zum Rolle machen gebraucht hat, ist alles
vertreten, was den Durchschnittsbürger (und auch diejenigen darüber hinaus) vom
gegenwärtigen Schrecken gekonnt ablenkt.
Da kann man nur jubeln, dass
Sat.1 keine Grenzen kennt. Wo kämen wir nur hin, wenn genetisch weniger
Begünstigte auf einmal nicht mehr zur Unterhaltung benutzt werden dürften?
Unterschichtenfernsehen ist das nicht, sondern Unterschicht im Fernsehen, die
allen als Anreiz dient, das Leben anzupacken – und wenn es nur deshalb ist, um
nie in einer dieser Sendungen aufzutauchen.
Sehr schön, guggi!
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