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Aber auch wenn wir diesen Umstand zugute halten, muss sich jede weitere Verfilmung mit Hirschbiegels Werk sowie den realen Vorkommnissen messen - es lässt sich schlicht nicht ausklammern, dass es das Experiment und einen ersten Film gab. Und da schmiert The Experiment gnadenlos ab.
Es gibt ein Wort, dass das Grundproblem dieses Films zutreffend beschreibt: plakativ. Während Hirschbiegel die Situation stückweise eskalieren lässt und schlichte negative Gruppendynamik als Ursache wählt, baut Scheuring eine Story auf, die viel zu viele Verflechtungen aufweist. Die "Wärter" sind zum Großteil von vornherein überdeutlich gestörte Individuen: Vom Mutterkomplex bis hin zum sexuellen Sadismus ist hier alles vertreten. Diese krankhaften Züge werden dem Zuschauer aber von vornherein vor den Latz geknallt, dass auch noch der Letzte merkt, dass die einen schlecht und die anderen gut sind. Dass ein überzeugter Pazifist für die gerechte Sache kämpft, setzt dem noch die Krone auf.
Die deutsche Verfilmung zeichnet hingegen ein wesentlich sinnvolleres Bild. Der Triebtäter ist ein dicker Elvis-Fan und keiner, der als Prototyp eines Sexualsadisten mit verkappt schwulen Tendenzen durchgeht. Der Rädelsführer ist ein einfacher, stinkender Versager, kein ödipal belasteter Perverser, der einen Steifen kriegt, wenn er Macht bekommt. Sowieso wird in The Experiment beinahe alles sexuell erklärt, plakativ eben. Macht = geil. Das verfälscht die eigentliche Aussage, dass Menschen sich in Extremsituationen anders verhalten, auch wenn sie sonst ziemlich normal sind. In weiterführender Interpretation der Gruppendynamik, die schnell Einzug während des Experiments hielt, ließe sich auch, unter Vorbehalt, das Aufkeimen des Nationalsozialismus erklären.
Das wird hier alles einer halbgaren politischen Verschwörungstheorie geopfert. Was durch das Experiment, dass in der US-Variante durchgeführt wurde, eigentlich herausgefunden werden sollte, bleibt schleierhaft. Rein wissenschaftlich betrachtet ist das Experiment auf diese Weise durchgeführt nämlich reichlich sinnfrei.
Hier wird nicht die Banalität des Bösen, die geradzu erschreckende Einfachheit menschlicher Entgleisung gezeigt, sondern ein höchst plakatives Bild gezeichnet, das seiner intelligenten Aussage beinahe vollkommen beraubt wurde - und das ist mehr als nur schade.
3,5 von 10 Punkten
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