Dienstag, 31. Januar 2012

Ein misslungenes Experiment

© Sony Pictures
Ich möchte gar nicht über den Sinn oder Unsinn einer solchen Verfilmung diskutieren. Es gibt Remakes, so es sich hier denn wirklich um eines handelt, die ihre Berechtigung haben. Wäre The Experiment das geworden, was man angesicht der Besetzung und der Vorlage hätte erwarten können, wäre Aufregung nicht angebracht. Auch wenn der deutsche Film Das Experiment, dessen Drehbuch auf Grundlage von Mario Giordanos Roman entstand, als Inspiration diente, geht jede weitere Interpretation des Stoffs in Wahrheit ja auf Zimbardos berühmtes Stanford-Prison-Experiment zurück. Insofern ist es jedem freigestellt, dieses Thema für einen Film zu nutzen, ohne gleich unter "Remake-Verdacht" zu geraten.
Aber auch wenn wir diesen Umstand zugute halten, muss sich jede weitere Verfilmung mit Hirschbiegels Werk sowie den realen Vorkommnissen messen - es lässt sich schlicht nicht ausklammern, dass es das Experiment und einen ersten Film gab. Und da schmiert The Experiment gnadenlos ab.

Es gibt ein Wort, dass das Grundproblem dieses Films zutreffend beschreibt: plakativ. Während Hirschbiegel die Situation stückweise eskalieren lässt und schlichte negative Gruppendynamik als Ursache wählt, baut Scheuring eine Story auf, die viel zu viele Verflechtungen aufweist. Die "Wärter" sind zum Großteil von vornherein überdeutlich gestörte Individuen: Vom Mutterkomplex bis hin zum sexuellen Sadismus ist hier alles vertreten. Diese krankhaften Züge werden dem Zuschauer aber von vornherein vor den Latz geknallt, dass auch noch der Letzte merkt, dass die einen schlecht und die anderen gut sind. Dass ein überzeugter Pazifist für die gerechte Sache kämpft, setzt dem noch die Krone auf.

Die deutsche Verfilmung zeichnet hingegen ein wesentlich sinnvolleres Bild. Der Triebtäter ist ein dicker Elvis-Fan und keiner, der als Prototyp eines Sexualsadisten mit verkappt schwulen Tendenzen durchgeht. Der Rädelsführer ist ein einfacher, stinkender Versager, kein ödipal belasteter Perverser, der einen Steifen kriegt, wenn er Macht bekommt. Sowieso wird in The Experiment beinahe alles sexuell erklärt, plakativ eben. Macht = geil. Das verfälscht die eigentliche Aussage, dass Menschen sich in Extremsituationen anders verhalten, auch wenn sie sonst ziemlich normal sind. In weiterführender Interpretation der Gruppendynamik, die schnell Einzug während des Experiments hielt, ließe sich auch, unter Vorbehalt, das Aufkeimen des Nationalsozialismus erklären.

Das wird hier alles einer halbgaren politischen Verschwörungstheorie geopfert. Was durch das Experiment, dass in der US-Variante durchgeführt wurde, eigentlich herausgefunden werden sollte, bleibt schleierhaft. Rein wissenschaftlich betrachtet ist das Experiment auf diese Weise durchgeführt nämlich reichlich sinnfrei.
Hier wird nicht die Banalität des Bösen, die geradzu erschreckende Einfachheit menschlicher Entgleisung gezeigt, sondern ein höchst plakatives Bild gezeichnet, das seiner intelligenten Aussage beinahe vollkommen beraubt wurde - und das ist mehr als nur schade.

3,5 von 10 Punkten

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